Ein
Tauschring, was ist das eigentlich?
2. 7. 05
N A C H B A R S C H A F T S H I L F E
D I E J E D E R K A NN U N D J E D E R B R A U C
H T
"Tauschen"
bedeutet in diesem Zusammenhang
- "kaufen" und „verkaufen“ ohne €
- helfen und Hilfe erhalten
- neue Kontakte knüpfen
- bei schweren oder ungeliebten Arbeiten Hilfe annehmen
- dafür mehr Dinge tun, die man gern tut
- Zeit sinnvoll nutzen
- einen Beitrag zur Humanisierung der Wirtschaft leisten
Ein Beispiel:
Eine ältere Frau ohne Auto übernimmt bei einer jungen Familie zwei Stunden
Babysitten. Mit dem dafür erworbenen "Guthaben", erspart sie sich
eine für sie mühsame Fahrt zur Bibliothek in Karlsruhe. Diese übernimmt nämlich
ein junger Mann, der in Karlsruhe arbeitet und sich für sein
"Guthaben" von einem anderen Mann beim Tapezieren eines Zimmers
helfen läßt.
Wie funktioniert´s?
Alle Teilnehmer/innen können ihre Kenntnisse, Fertigkeiten und Waren
anbieten und in Anspruch nehmen, auch solche, die auf dem "normalen
Markt" kaum geboten werden. Jedes Mitglied bietet eine (oder mehrere)
Leistungen an, die es gut kann oder gern macht, etwa ein Zimmer streichen
oder Blumen pflegen, und sucht dafür Hilfe bei ungeliebten oder schweren
Arbeiten, wie z. B. Getränkekästen schleppen.
Man muß nun aber nicht direkt bei dem Mann, der einem bei der Gartenarbeit
geholfen hat, babysitten, sondern kann seine Schulden an anderer Stelle
"abarbeiten". Die erbrachte Leistung wird in einer eigenen Währung,
"Talent" (TAL) genannt, auf einem internen Konto abgebucht, wobei 2
Talente etwa einem € entsprechen. Als Gegenwert für eine Stunde Arbeit werden
20 TAL vorgeschlagen, wobei Abweichungen nach oben oder unten im Einzelfall
vereinbart werden können.
Was bringt´s?
Als Folge von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Frühverrentung usw. verfügen
immer mehr Menschen über Zeitreserven, die verfügbare €- Summe andererseits
sinkt. Auch die Zahl der Single-Haushalte steigt stetig. Damit wächst der
Bedarf an Hilfe und Dienstleistungen im Alltag, z. B. Kinderbetreuung,
Urlaubspflege von Tieren und Pflanzen.
Da es jedoch vielfach an Geld fehlt, können diese Dienstleistungen oft nicht in
Anspruch genommen werden. Dieses Problem wird durch Tauschringe gelöst.
Außerdem wirkt entlastend, daß keine Zinsen anfallen, wenn das Konto mal ins
Minus gehen sollte. (Dies ist in diesem Fall sogar erwünscht, weil es anderen
Teilnehmern ermöglicht, mit einer erbrachten Leistung ins Plus zu kommen.
Wenn Sie glauben, Sie hätten keine Fähigkeiten, mit welchen Sie anderen helfen
könnten, täuschen Sie sich sicher. Es sind oft gerade die kleinen Dinge im
Alltag, bei denen Unterstützung wertvoll ist.
Die Mitarbeit in einem Tauschring erleichtert es, sich etwas vom reinen
"Euro- Denken" zu lösen und ermutigt zur Annahme von
Freundschaftsdiensten.
Auch finanziell weniger "flüssige" Menschen können Dienstleistungen
in Anspruch nehmen, ohne dafür Geld auszugeben und dennoch können sie diese
angemessen vergüten. Außerdem verdient man sich einen Leistungs-Gegenwert mit
Tätigkeiten, die einem Spaß machen.
Nicht zuletzt bringt der Tauschring neue Freundschaften, denn wo geholfen wird,
da wird es meistens auch gesellig.
Eine Ausdehnung der Tätigkeit auf "Autoteilen" (Carsharing) und
gemeinschaftliche Benutzung von selten benötigten Großgeräten wird bereits
praktiziert.
Zur Praxis:
Die "Börse" für den Tauschring besteht einmal aus der 2 - 4 mal
im Jahr erscheinenden "Marktzeitung" mit allen Angeboten und
Nachfragen. Diese Zeitung hat sich auch als effektives Werbemittel erwiesen.
Bei uns liegt sie z. B. im örtlichen Bioladen aus. Deshalb sind die
Angebote darin anonymisiert, d. h. nur mit Vornamen und Konto Nr. versehen. Ein
Außenstehender kann diese Angebote also nicht nützen. Die Mitglieder dagegen
können anhand der Mitgliederliste die zugehörigen Telefonnummern ermitteln. Ein
andere Möglichkeit "auf den Markt zu gehen", bietet der monatliche
Markttag, bei uns an jedem zweiten Freitag im Monat, 20.00 Uhr, Im Holderbusch
7 in Grünwettersbach
Was kostet´s?
Für die Mitgliedschaft wird ein Einmalbetrag nach Selbsteinschätzung zwischen
12 und 20 € (für Herausgabe der Marktzeitung, Telefon, Büromaterial usw)
erhoben. Bei Erschöpfung des € -Kontos (voraussichtlich erst nach mehreren
Jahren) wird ein neuer Kostenanteil erhoben. Für die
Verwaltungsarbeit werden je Halbjahr 10 TAL abgezogen. Wer die
Marktzeitung per Post zugeschickt erhalten möchte, zahlt zusätzlich 8€ im Jahr.
Vernetzung
Um die Zahl der Angebote und Gesuche zu erhöhen, und damit den Tauschring
attraktiver zu machen, haben manche Tauschringe mit dem "Nachbar",
einen Kooperationsvertrag geschlossen. Die Verwaltungen erhalten regelmäßig
auch die Zeitung des anderen Tauschrings und legen diese beim Markttag aus. Wer
eine Transaktion beabsichtigt, kann die Telefonnummer des ins Auge gefaßten
Partners bei der Verwaltung erfragen. Die Abrechnung geschieht dann über ein
sogenanntes Außenkonto
Immer mehr Tauschringe werden auch Mitglied beim Ressourcentauschring,
sozusagen ein Tauschring der Tauschringe. Damit bietet sich die Möglichkeit,
geeignete Angebote und Nachfragen in einer 4 Mal im Jahr erscheinenden
Marktzeitung bundesweit zu veröffentlichen. Typische Angebote sind hier
z. B. Übersetzungen und Übernachtungen.
Ähnlich arbeiten die meisten der inzwischen über 200 Tauschringe in Deutschland
Alternative Geldsysteme
Die Tauschringe sind ein gutes Übungsfeld für alternative Geldsysteme. Viele
halten unser derzeitiges Geld, z. B. € für die einzig mögliche Art von
Geld.. Denkbar (und auch schon realisiert) ist aber z. B. ein Geld ohne Zinsen
und Inflation, das auch nicht von einer Zentralbank künstlich knapp gehalten
werden muß, nicht gestohlen werden kann und mit dem auch keine Spekulation
möglich ist...
Zu Literatur und Organisationen siehe die entsprechende Dateien unter
"Geld"
Tauschringe international
(Im Moment auch eine "Teil - Baustelle")
Deutschland
Mitte 2004 gibt es etwa 300 Tauschringe mit 25000 Mitgliedern. Die
größten Ringe sind München mit 350, Bremen mit 320 und Berlin mit 300
Mitgliedern
Frankreich
In Frankreich gibt es etwa etwa 500 Tauschringe, meist SEL (systeme d
échange local) genannt. Sel heißt außerdem "Salz " und wird oft auch
als Bezeichnung der Währung gewählt.
Holland
Hier gibt es eine starke Tauschbewegung und für die steuerliche Behandlung von
Tauschgeschäften einen Freibetrag von rund 1400€ (nach "Die
Zeit" v. 4. 7. 02)
Italien
Hier heißen die TR meist Banca del tempo, ca 120 sind es z. Z.
USA
Der bekannteste Tauschring hat in der Stadt Ithaca über 1200 Mitglieder und
gibt eigene Verrechnungsscheine heraus, "Ithaka hours" genannt.
Argentinien
hier blühten seit 1995, 2002 etwa 5000 sogen Tauschvereine mit bis zu 4000
Mitgliedern. Insgesamt soll es über 2,5 Millionen Mitglieder gegeben haben. Sie
trafen sich einmal im Monat bis ein mal in der Woche, z. B. in angemieteten
Turnhallen und kauften oder verkauften gegen "Kreditos" Waren und
Dienstleistungen.
Am 15. April 02 wurde im
Österreichischen Rundfunk (Ö1) in der Sendereihe Journal-Panorama eine halbe
Stunde lang über Argentinien und die dort immer mehr Anhänger gewinnende
Tauschkreisidee mit der Währung créditos berichtet. Gabriele Weber hat die
Sendung gestaltet.
Die Créditos sind zum Geld der Armen in Argentinien geworden und die Idee des
Club del Trueque boomt. Jedes neue Tauschclubmitglied bekommt bei Eintritt 50
créditos und es gibt mittlerweile bereits 2,5 Millionen Mitglieder. Die
staatlichen Stellen unterstützen die Aktivitäten der 1500 Knoten im Lande. Es
werden keine Steuern eingehoben oder geplant. Dem argentinischen Staat ist
klar, welch enorme Menge an Sozialleistungen er sich durch diese
Selbsthilfemöglichkeit erspart. Er könnte ohnedies - bankrott wie er ist -
nichts bezahlen. Vom Wirtschaftsministerien (Abteilung kleine Betriebe), werden
z.T. Hilfen bereitgestellt, damit Arbeiter, die ihre bankrotten Betriebe selbst
weiterführen, auch weiter produzieren können. Die Produkte (gleichzeitig
Bezahlung) gehen auf die Tauschmärkte. Ein Bürgermeister einer kleinen Stadt
nimmt die créditos als Steuern an, weil die verarmten Bürger kein anderes Geld
haben. Die Arbeitslosenraten wurden in der Größenordnung von 25% aufwärts
angegeben. (Dort waren es 40%.) Die Zentralbank soll sogar angeboten haben, die
créditos fälschungssicherer in der Staatsdruckerei anzufertigen. Auch der
Initiator des Tauschclubs wurde interviewt. Es wurde darauf hingewiesen,dass
die geistige Herkunft der Idee von Silvio Gesell's NWO (Freigeld und Freiland)
stammt.
Manfred Schön (m.schoen@a1.net) hat die Sendung auf Tonband aufgezeichnet. Er
ist für Kopien ansprechbar.
Nach einer Info von Gerhard Margreiter.
Mitte 03 sind dann plötzlich
massenhaft gefälschte Creditos aufgetaucht und die Bewegung ist praktisch
zusammen gebrochen. Die Tatsache, daß die Qualität der Fälschungen ungewöhnlich
gut ist, hat schon zu einigen Spekulationen Anlaß gegeben.