Die industrielle Wachstumsgesellschaft bietet keine Perspektive mehr

Memorandum für eine ökologische "New Deal"-Politik

von Hermann Scheer

Im Netz unter www.fr-aktuell.de/start/doku,der Internetadresse der Frankfurter Rundschau Dezember 02
 

Eine wirtschaftspolitische Vorwärtsstrategie, die weit über die bisher diskutierten und probierten Konzepte von Regierung, Opposition oder den "Wirtschaftsweisen" hinausgeht, sei dringlicher denn je, meint der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer. Er fordert Mut, den großen Entwurf für eine ökonomische Entwicklung auf ökologischer Grundlage zu wagen - und er rechnet das Konzept detailliert durch. Scheer gehört dem SPD-Bundesvorstand an und ist mit dem Alternativen Nobelpreis 1999 und dem Weltpreis für Bio-Energie 2000 ausgezeichnet worden.
 

Die wachsende Arbeitslosigkeit, die sich dadurch zuspitzende öffentliche Finanzkrise und die depressive Stimmungslage zeigen:

Von Monat zu Monat wird eine aktuelle wirtschaftspolitische Vorwärtsstrategie dringlicher, die weit über die bisher diskutierten und probierten Konzepte von Regierung, Opposition oder den "Wirtschaftsweisen" hinausgehen muss. Die offenkundige deflatorische Lücke zwischen dem gesamtwirtschaftlichen Angebot an Gütern und Dienstleistungen und der kauffähigen Nachfrage ist so groß geworden und hält bereits so lange an, dass sie ohne neue, außergewöhnliche, breit und groß angelegte wirtschaftspolitische Impulse nicht mehr geschlossen werden kann.

Das deutsche Problem, von den Oppositionsparteien als allein von der deutschen Regierung verschuldete "deutsche Krankheit" gebrandmarkt, ist keine Folge mangelnder Wachstums- oder internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Unausgelastete Kapazitäten und anhaltend überproportional hohe Exportraten beweisen das Gegenteil.

Die deutsche Situation unterscheidet sich von der anderer großer Industrienationen vorwiegend in einem Punkt: Die Krise der öffentlichen Finanzen ist hier zu Lande strukturell noch gravierender als andernorts wegen der enorm hohen öffentlichen Finanztransfers nach Ostdeutschland zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen. In den letzten zwölf Jahren waren das insgesamt über 500 Mrd. EUR. Ansonsten gibt es nur graduelle Unterschiede zu anderen, weil alle westlichen Wachstumsgesellschaften definitiv ihren Zenit überschritten haben.

Die Hoffnung auf einen Konjunkturaufschwung durch allgemeine Wachstumssteigerung führt nur noch bedingt zu mehr Arbeitsplätzen: Wachstum realisiert sich im Informationszeitalter größtenteils durch verstärkte Rationalisierungsinvestitionen. Überdies absorbieren anhaltende ökologische Folgeschäden eines undifferenziert vorangetriebenen Wirtschaftswachstums zunehmend mehr staatliche Kompensationsleistungen. Umweltschäden schnüren bereits die Spielräume zur Überwindung ihrer Ursachen ein und provozieren ein finanzwirtschaftliches Gefangenendilemma. Allein die öffentlichen Schadensausgleichsleistungen durch die Flutkatastrophe liegen in Deutschland bei mindestens 10 Mrd. EUR. Hinzu kommen die wachsenden privaten Versicherungsleistungen, die zur stetigen Erhöhung der Versicherungsbeiträge führen. Nach Berechnungen der Münchner Rückversicherungsgesellschaft waren die Versicherungsschäden durch Umweltkatastrophen im letzten Jahr weltweit bei etwa 100 Mrd. Dollar, neben den nicht versicherten Schäden in drei- bis vierfacher Höhe.

Unternehmen suchen ihren individuellen Ausweg in beschleunigter transnationaler Konzentration und in Fusionen und bürden die sozialen Kosten den staatlichen Sozialsystemen auf, die höhere Ausgaben und niedrigere Einnahmen haben. Staaten dünnen ihre Staatsleistungen, u.a. durch Privatisierungen von Staatsfunktionen laufend aus, obwohl Steuern und Abgaben kaum sinken oder sogar steigen. Hinzu kommen wachsende militärische Kosten der Ressourcensicherung. Daneben haben nationale Regierungen viele ihrer wirtschaftspolitischen Steuerungsmöglichkeiten durch den vor drei Jahrzehnten eingetretenen Verfall des Weltwährungssystems und dessen Ersetzung durch spekulative Währungsmärkte, durch die WTO, den EU-Binnenmarkt und die Installierung der Europäischen Zentralbank eingebüßt.

Daraus ergeben sich zwei strategische Schlussfolgerungen:
 

Sie müssen also
- vorwiegend durch Umwidmung bisheriger staatlicher Mittel finanziert werden, um die öffentlichen Haushalte nicht weiter zu strapazieren;

- eine schnelle Revolvierung der staatlichen Fördermittel er möglichen, indem diese über Steuern und Beitragseinnahmen aus den neu stimulierten Wirtschaftsaktivitäten wieder zurück fließen;

- eine hohe Treffsicherheit im Verhältnis von öffentlichem Mittelaufwand und realisieren Beschäftigungswirkungen gewährleisten und deshalb strikt auf den Binnenmarkt bezogen sein;

- die ökologische Reform der Wirtschaft antreiben, um künftige Umweltschäden zu vermeiden, die längst zur Wachstumsbremse geworden sind, und der Volkswirtschaft eine dauerhaft wirksame neue Grundlage geben.

Selbst ohne die veränderten internationalen Rahmenbedingungen haben sich die beiden Grundkonzepte nationaler Konjunkturpolitik überholt, die seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert und - oft auch in Mischform - praktiziert werden: einerseits die staatlich induzierte "Nachfragestrategie" über die undifferenzierte Erhöhung staatlicher Investitionen, pauschale Investitionszuschüsse oder Steuersenkungen, und andererseits die "Angebotsstrategie" durch Senkung der Unternehmenssteuern und von Abgaben sowie durch Deregulierungen und Privatisierungen besonders im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, um Investitionsanreize zu erhöhen und zusätzliche private Investitionsfelder aufzuschließen.

Ob staatlich induzierte Nachfrage- oder Angebotsstrategie: alle haben einen massiven und die Staatskassen unverhältnismäßig stark belastenden Mitnahmeffekt: Es gibt zu wenig beschäftigungswirksame Resultate für die dafür eingesetzten öffentlichen Finanzen. Verfolgt man sie dennoch weiter, ist der Kollaps der öffentlichen Finanzen ebenso vorprogrammiert wie die sozial- und umweltpolitische Entpflichtung der liberalisierten und internationalisierten Wirtschaftsaktivitäten.

Hinzu kommt: der pauschale Begriff von "der Wirtschaft" als Ziel der politischen Wirtschaftsförderung ignoriert, dass es zunehmende Interessengegensätze zwischen einzelnen Wirtschaftszweigen und Unternehmensstrukturen gibt - etwa

  1.  zwischen Landwirten und Lebensmittelkonzernen,
  2. Windkraftindustrie und Stromkonzernen,
  3. baugewerblichen Handwerksbetrieben und international operierenden Baukonzernen,
  4. zwischen der Mineralölindustrie und der Atomobilindustrie, die mittlerweile auf umweltfreundliche Treibstoffe setzt.
Er ignoriert auch, dass es für Wirtschaft und Gesellschaft keineswegs gleichgültig ist, ob
 
  •  qualifizierte oder unqualifizierte,
  • gesundheitserhaltende oder krankmachende,
  • gut oder schlecht bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten werden,
  • ob die Infrastruktur intakt gehalten oder brüchig wird;
  • ob Wirtschaftsfelder zukunftsträchtig oder auslaufend sind; und
  • ob es eine mehr mittelständische oder eine sich konzentrierende Wirtschaftsstruktur gibt.
  • Es ist deshalb ein politischer Handlungsfehler, wenn Regierungen bei ihren Entscheidungen den Konsens mit "der" Wirtschaft suchen, die durch ihre jeweiligen Verbände vertreten wird. Deren Verbandsspitzen haben sich längst genauso von ihrer Mitgliederbasis entfernt wie es in anderen gesellschaftlichen Organisationen festzustellen ist. Sie vertreten in der Regel eingespielte strukturkonservative Querschnittsinteressen, die sich von einem wirtschaftlichen Strukturwandel bedroht fühlen. Der richtige Weg, statt eines Konsenses mit der Wirtschaft geht es vielmehr darum, bei denjenigen Wirtschaftszweigen und Unternehmen Verbündete zu suchen, die ihre eigene Perspektive in dem anzustrebenden Strukturwandel sehen. Voraussetzung ist ein politisches Konzept für diesen Strukturwandel.

    Die Frage nach einem strategischen "New Deal"-Programm ist damit auf der Tagesordnung. Der Begriff "New Deal" stammt vom amerikanischen Präsidenten Roosevelt (1933-45), der es in den 30er Jahren als einziger schaffte, sein Land auf demokratische und soziale Weise aus der Weltwirtschaftskrise zu führen. Er erreichte dies durch einen

                gezielt eingeleiteten wirtschaftlichen Strukturwandel unter Einbeziehung von Umweltinitiativen,

    was die amerikanische Volkswirtschaft und Gesellschaft auf ein neues Niveau hob, in Verbindung mit Initiativen zur Steigerung der Produktivität staatlichen Handelns. Wenn es ein Vorbild gibt für das, was heute notwendig ist, so ist es in dessen Grundansatz zu finden - wobei die Schwerpunkte heute anders gelagert sein und die veränderten Rahmenbedingungen beachtet werden müssen.

    Das neue Leitbild

    Das deutlichste Merkmal dafür, dass eine bloße Fortschreibung des Leitbilds der industriellen Wachstumsgesellschaft bisherigen Musters keine Perspektive mehr bieten kann, ist die konventionelle Energieversorgung, die deren wesentlicher Treibriemen ist. Die fossilen Energievorkommen haben ihr Fördermaximum erreicht. Wir bewegen uns auf deren Endverbrauch zu. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, müssen wir uns von dieser Energiebasis verabschieden, weil diese die ökologische Weltkrise samt der Folgeschäden zuspitzt.

    Das zu verfolgende neue Leitbild der ökologischen Strukturpolitik muss in erster Linie auf eine neue Ressourcenbasis zielen. Der harte Kern jedweder Ökonomie ist die Ressourcenwirtschaft und die zentrale Ursache der Umweltzerstörung sind die Schadstoffe, die bei der Umwandlung schadstoffhaltiger Ressourcen anfallen. Daß die industriellen Wachstumsgesellschaften ihren Zenit überschritten haben, liegt vor allem daran, dass sich die Weltwirtschaft weit überwiegend auf schadstoffhaltige fossile Ressourcen stützt und diese Ressourcen überdies endlich sind.
    Dies ist eine existenzielle Gefahr für die Weltwirtschaft und alle Volkswirtschaften –

    aber nur dann, wenn der Wechsel zu dauerhaft verfügbaren erneuerbaren Ressourcen ohne umweltschädigende Umwandlungsfolgen weiter verschleppt wird. Es ist demgegenüber eine existenzielle neue Chance, wenn dieser Ressourcenwechsel so schnell und breit wie möglich eingeleitet wird.

    Die Weltwirtschaft ist in ihrem Energieverbrauch gegenwärtig zu 40 Prozent vom Erdöl abhängig und bereits zu über 20 Prozent vom Erdgas. Erdöl stellt zu 90 Prozent die Grundstoffe der chemischen Industrie. Deutschlands Energieverbrauch war 1950 von 5 Prozent Energieeinfuhren abhängig, jetzt zu fast 80 Prozent. Die EU ist zu 50 Prozent von Energieeinfuhren abhängig, für das Jahr 2020 werden bei Fortsetzung der bisherigen Entwicklung 70 Prozent Abhängigkeit erwartet. Die billigen Erdöl- und Erdgas-Einfuhren versiegen in den nächsten Jahrzehnten. Je mehr wir uns dem Endverbrauch nähern, desto unberechenbarer werden internationale Konflikte und desto mehr stiegen die Kosten und schüren Produktion und Konsum ein - bei zunehmenden Wirtschaftsschäden in wachsender Milliardenhöhe. Der nächste Sturm und die nächste Flut kommen bestimmt, in dichter werdender Zeitfolge. Der Wechsel zu Erneuerbaren Energien und Rohstoffen und damit der rationelle volkswirtschaftliche Energieeinsatz ist damit der entscheidende Schlüssel zur Wohlstandserhaltung und Zukunftssicherung.

    Daraus ergeben sich vor allem folgende künftige Wirtschaftsfelder,  deren zentrale Bedeutung erkannt und die prioritär politisch kultiviert werden müssen:
     

  •  Da die erneuerbaren Energiequellen, die die atomar/fossile Energiebasis auch auf dem Gebiet der Strom- und Wärmeversorgung ablösen müssen, neue Energieumwandlungstechniken erfordern, werden diese zum Motor künftiger industrieller Aktivitäten. Die Technologieunternehmen, die hier Vorreiter sind, werden die größten Weltmarktchancen haben. Dies betrifft die Sektoren der Fahrzeug-, Schiffs- und Luftfahrtindustrie,
  • der Heizungs- und Klimatechnik, des Maschinenbaus, der Windkraft- und Solaranlagenindustrie, der Elektrotechnik und der
  • Mikroelektronik und der Glas- und sonstigen Baustoffindustrie, die Baumaterialien herstellt, die gleichzeitig eine energetische Funktion haben, von der Wärmedämmung bis zu Fassaden und Glasmaterialien, die Solarenergie ernten. Dabei kommen neue Aufgaben auf das gesamte Bauhandwerk zu, allem voran bei der energietechnischen Umrüstung des Altbaubestandes.
  • Da ein erheblicher Teil der Energieversorgung der Zukunft von der Biomasse (vor allem Kraftstoffe wie Bio-Methanol, Bio-Ethanol, Wasserstoff aus Biomasse, Pflanzenöl) und die Grundstoffe für die chemische Industrie künftig vollständig von der Biomasse gestellt werden muss, läuft dies auf einen massiven Bedeutungszuwachs der Land- und Forstwirtschaft hinaus. Tendenziell wird diese die Umsätze auf dem Gebiet der Kraftstoffe und der chemischen Grundstoffe machen, die heute von den global operierenden Erdöllieferanten gemacht werden. Diese wird dadurch wieder zu einem wachsenden und dauerhaft notwendigen volkswirtschaftlichen Sektor mit vielen neuen Arbeitsplätzen, die regional breit gestreut sind. Dieser Faktor wird von fast allen Wirtschaftsexperten übersehen. Der anstehende Wechsel von fossilen Grundstoffen zu nachwachsenden Grundstoffen betrifft darüber hinaus die chemische Industrie in ihrer gesamten Bandbreite und eröffnet dieser die Perspektive, zu einem tragenden Element einer ökologischen Wirtschaftsweise zu werden.
  •  Da sich neben dem Energieproblem und damit einher gehend das Wasserversorgungsproblem zuspitzt, werden Techniken zum Wassersparen, zur Wasserreinhaltung, zur Wasserrückgewinnung und zur Wasserproduktion (Meereswasserentsalzung) unweigerlich zu einem wachsenden Nachfragemarkt.
  • Für die Bereiche der öffentlichen Infrastruktur ergibt sich ein erheblicher zusätzlicher Handlungsbedarf, der alle Verkehrs-, Versorgungs- und Kommunikationsnetze betrifft. Der maßgebliche Schritt dafür besteht in der Bereitstellung integrierter Infrastruktur, um den wirtschaftlichen Doppel- und Mehrfachnutzen von Netzen zu nutzen, die zum Beispiel gleichzeitig Strom und Daten leiten oder die Abwassersysteme mit der Produktion von Hydro-Elektrizität kombinieren.
  • Unabhängig von der Existenz der sonstigen Wirtschaftsfelder und deren technologischen Innovationen müssen die hier aufgezeigten in jedem Fall aufgrund ihres unabweisbaren gesellschaftlichen Bedarfs zur Entfaltung kommen. Diese Bedarfe sind generell für jede Volkswirtschaft gegeben Sie sind allesamt in starkem Maße binnenmarktorientiert. Darüber hinaus eröffnen sie umfassende neue Exportchancen, weil alle Lände vor demselben Problem stehen. Diese Chancen sind umso größer, je frühzeitiger im deutschen Binnenmarkt der Marktaufschluss erfolgt und in der Forschungs- und Entwicklungspolitik entsprechende Prioritäten gesetzt werden. Darüber hinaus eröffnen die Erneuerbaren Ressourcen ein breites Marktfeld für die kleine und mittlere Unternehmen (KMU), insbesondere für das Bauhandwerk. Für diese insgesamt ist es darüber hinaus zwingend, deren immer größer gewordenen Schwierigkeiten, zinsgünstige und längerfristige Kredite zu erhalten, durch eine nachhaltig politische Initiative zu überwinden.

    Finanzwirtschaftliche Optionen
    Zur Mobilisierung der vorgenannten Wirtschaftsfelder und Unternehmen sind sowohl gesetzliche Rahmenbedingungen als auch indirekte wie gezielte direkte finanzielle Anreize erforderlich, aus denen selbsttragende Entwicklungen werden müssen. Für die finanziellen Anreize bieten sich folgende direkte oder indirekte Optionen der Umschichtung bzw. Umwidmung öffentlicher Haushalte an:
     

  • Mit der Etablierung der Europäischen Zentralbank und der Einführung des Euro am 1.1.2002 ist eine völlig neue Situation eingetreten, in der die Bundesbank ihre klassische Rolle als Währungshüter abgegeben hat. Ihre Devisenbestände sind allenfalls noch eine "Reserve der Reserve" der EZB. Die Devisenreserven der Bundesbank lagen im Dezember 2001 bei 108,9 Mrd. Euro. Die beiden größten Posten waren dabei 34,3 Mrd. Goldreserven und etwa 50 Mrd. Dollarreserven. Deutschland hat einen EZB-Anteil von 24,4 Prozent, stellt aber mit seinen Devisenreserven 40 Prozent aller bei den nationalen Notenbanken im Euro-Raum noch vorhandenen Devisenreserven von insgesamt 250 Mrd. EUR. Daraus ergibt sich, dass von den 108,9 Mrd. Euro etwa 50 Mrd. Euro Devisenreserven aufgelöst und umgewidmet werden könnten, ohne dass Deutschland die Gemeinschafts-Konformität im Euro-Raum verlässt. Es blieben denn immer noch 60 Mrd. EUR Devisenbestände bei der Bundesbank, die immer noch 25 Prozent aller Devisen der nationalen Notenbank ausmachen.
  • Die deutschen Kohlebeihilfen liegen nach dem Haushaltsentwurf für 2003 bei 2,6 Mrd. Euro. Dieser Betrag hat eine erhebliche regionalwirtschaftliche Bedeutung für die Bergbauregionen. Eine klimaschädigende Wirkung haben sie nicht, solange der Ersatz dazu Importkohle wäre. Dennoch muss versucht werden, diese Mittel für eine Vorwärtsstrategie umzuwidmen. Die Alternative zur bloßen Fortschreibung wie zur schlichten Streichung ist die Umwidmung in eine Anschubfinanzierung für die Produktion neuer Energietechniken, die in erster Linie zum diesbezüglichen Strukturwandel in diesen Regionen eingesetzt werden sollten.
  • Die Einnahmen der Öko-Steuer belaufen sich ab 2003 auf etwa 17 Mrd. Euro. Mit Ausnahme der Mittel für das Marktanreizprogramm für Erneuerbare Energien in Höhe von 230 Mio. Euro, werden diese bisher zur Mitfinanzierung der Rentenversicherung eingesetzt. Die Alternative dazu ist, die Einnahmen für ein ökologisches Zukunftsprogramm einzusetzen, das sich strikt auf Investitionen am deutschen Standort bezieht. Damit  könnten die Einnahmeausfälle für die Rentenversicherung in etwa gleicher Höhe kompensiert werden durch die zusätzlichen Steuern und Abgaben, die sich aus den Steuern und Abgaben aus den Wachstums- und Beschäftigungseffekten dieses ökologischen Zukunftsprogramms ergeben.
  • Die steuerfreien Rückstellungen der Atomkraftwerksbetreiber für die atomare Entsorgung liegen derzeit bei einem Betrag von etwa 30 Mrd. Euro. Sie wirken wie steuerfreie Gewinne, weil damit in beliebige Zwecke investiert werden kann. Die Folge ist ein einzigartiger Wettbewerbsvorteil, der für Unternehmensaufkäufe genutzt wird und den Konzentrationsprozess der der Wirtschaft vorantreibt. Ein erster Schritt wäre die Beendigung dieser Rückstellungspraxis, woraus jährlich etwa zwei Mrd. Euro Zusatzeinnahmen erwachsen würden
  • Die Mineralölsteuerbefreiung für mineralölverarbeitende Betriebe: Diese liegt bei mindestens 1 Mrd. Euro jährlich. Noch wesentlich höher ist die Flugtreibstoffsteuerbefreiung, die nur - solange sie international gilt - durch eine Erhöhung der Start- und Landegebühren kompensiert werden kann und muss
  • Aus diesen Umschichtungen und -widmungen ergeben sich folgende Elemente einer Vorwärtsstrategie:

    1. Ein 50-Milliarden-Kapitalstock aus aufgelösten Devisenreserven für Mittelstandskredite sollte angelegt werden in Form einer Kapitalaufstockung bei der KfW und Deutschen Ausgleichsbank. Damit sollen dem Mittelstand einschließlich der Landwirtschaft auf unbürokratischem Wege zinsgünstige Kredite deutlich unterhalb des Marktzinses mit langen Laufzeiten angeboten werden. Dies wäre der aktuell wichtigste Schritt zur Dynamisierung mittelständischer Wirtschaftsaktivitäten, in einer bisher nirgendwo ergriffenen Größenordnung. Es wäre das ambitionierteste Mittelstandskreditprogramm der Wirtschaftsgeschichte.

    2. Eine grundlegende Neudefinition und Verwendung der Energiesteuern: Sämtliche Energiesteuern sollten künftig als Schadstoffsteuer firmieren. Das wäre mehr als eine bloße Umbenennung, sondern hätte eine konzeptionelle Bedeutung: Energien, die keine Schadstoffe hervorrufen bzw. emissionsneutral sind, würden folgerichtig steuerbefreit. Dies fördert den Umstieg von atomar/fossilen zu Erneuerbaren Energien. Darüber hinaus werden die Schadstoffsteuer auf Atombrennstäbe und Kohle ausgeweitet. Solange es keine europaweite Besteuerung von Flugtreibstoffen gibt, wird zum Ausgleich dafür die Start- und Landegebühr deutlich angehoben, schon um die Wettbewerbsnachteile der anderen Verkehrsträger gegenüber der Luftfahrt zu überwinden.

    Die Einnahmen der gegenwärtigen Ökosteuer in Höhe von etwa 17,5 Mrd. Euro sollten für ein ökologische Zukunftsinvestitionsprogramm verwendet werden, das aus folgenden Elementen bestehen könnte:

    Daraus ergibt sich ein durchgehend binnenmarktwirksames Investitionsvolumen, das bei den direkten Investitionshilfen für die Bundesbahn und den Nahverkehr der Höhe der hier angegebenen Haushaltsmittel von 8,5 Mrd. entspricht, wenn es sich um 100 %-Förderzuschüsse handelt.

    Die weiteren Ansätze könnten Beihilfen in Höhe von vielleicht

    25 % der Investitionssummen darstellen, mit denen der vierfache Investitionseffekt erzielt werden kann, also insgesamt etwa 32 Mrd. Dies ergäbe jährlich zusätzliche Gesamtaufträge von über 40 Mrd. Da pro 75.000 Euro Neuinvestition ins Baugewerbe etwa ein neuer Arbeitsplatz entsteht, steckt allein in diesem Programmansatz ein Potenzial von bis mindestens 650.000 neuen Vollerwerbsbeschäftigten.

    Die entscheidende Frage kann damit beantwortet werden: ob durch dieses ökologische Zukunftsinvestitionsprogramm das Ziel gefährdet würde, mit den Einnahmen aus der Öko-Steuer die Rentenversicherung mit zu finanzieren und damit ein Anwachsen der Lohnnebenkosten zu verhindern. Diese Gefahr besteht jedoch nicht: die für das Investitionsprogramm zur Verfügung gestellten Investitionsanreize würden in dem Moment und in dem Ausmaß, in dem sie aus dem Bundeshaushalt aktiviert würden, unmittelbar gewerblich umgesetzt und damit zusätzliche Beschäftigung schaffen. Daraus können etwa in gleicher Höhe Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträge geschöpft sowie soziale Transferleistungen eingespart werden.
    Da ein Arbeitsloser etwa 25.000 EUR kostet, würden 650.000 Beschäftigte einen Mehreinnahmeeffekt von 16,25 Mrd. EUR - wobei die zusätzlichen Dynamisierungseffekte für die wirtschaftlichen Kreisläufe nicht genau zu zählen sind, die durch die Kaufkraftsteigerung über neue Arbeitsplätze auftreten.

     Würde ein solches Zukunftsinvestitionsprogramm dagegen nicht im vollen vorgesehenen Umfang in Anspruch genommen werden, so würden auch entsprechend weniger Mittel aus dem Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden - und stünden damit weiter direkt als Rentenversicherungszuschuss zur Verfügung.

    3. Ein Landwirtschaftserweiterungsprogramm hin zu Biomasse für Energie und Rohstoffe: Dazu bedarf es weiterer politischer Initiativen, die über die bereits am 7. Juni 2002 vom Bundestag
    beschlossene Steuerbefreiung für alle Bio-Kraftstoffe hinausgehen: vor allem die im EU-Ministerrat durchzusetzende Aufhebung der Mineralölsteuerbefreiung für mineralölverarbeitende Betriebe, die eine Steuervergünstigung für die Mineralöl- und Chemiewirtschaft beim Einsatz fossiler Energien und Rohstoffe darstellt. Die durch Aufhebung der Steuerbefreiung zusätzlichen Steuereinnahmen von etwa einer Mrd. EUR könnte direkt weitergegeben werden für eine Umstellung der landwirtschaftlichen Produktionsmaschinen auf Bio-Energie. Dies setzt die landwirtschaftliche Erzeugung für nachwachsende Rohstoffe in Gang.

     Ergänzend dazu sollte in einer neuen Verpackungsverordnung festgelegt werden, dass ab dem Stichtag 1.1.2006 nur noch Kunststoffe, Farben, Lacke und Schmierfette auf der Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden. Hinzu kommt, dass die Mineralölbetriebsbeihilfe in der Landwirtschaft künftig an den Einsatz von Bio-Treibstoffen geknüpft werden sollte. Die Landwirtschaft selbst sollte Kooperationsformen für Biomasse aufbauen, um die Wertschöpfungskette in der Hand der landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten.

    4. Ein Sonderforschungsprogramm Nutzpflanzen und Energiespeicherung:
    Aus den Einnahmen der zu erhebenden Brennstoffsteuer aus Kohle und Atombrennstoffen sowie aus der Beendigung weiterer atomarer Entsorgungsrückstellungen ist ein drei-Milliarden-Programm zur Ressourcenforschung für nachwachsende Rohstoffe möglich, das die wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeiten der Nutzpflanzen erfasst. Auf diesem Feld gibt es den größten Nachholbedarf in der Forschung und Entwicklung, obwohl die Nutzpflanzen die bedeutendste Rohstoffquelle der Zukunft sind. Das zweite Sonderprogramm zielt auf dezentrale Energiespeichertechniken, mit deren Hilfe Erneuerbare Energien durchgängig wettbewerbsfähig werden.
     

    5. Ein Sonderprogramm für die Kohlenreviere

    durch

    Umwidmung der Kohlebeihilfen in Zukunftsinvestitionen. Dieses könnte sich vor allem konzentrieren auf Betriebsumstellungen in die Bereiche der Solarsilizium-Produktion umweltfreundlicher Baustoff-Technologien und neue Energietechnologien. Die industrielle Mobilisierung der Photovoltaik-Technologien für einen umfassenden Weltmarkt bedarf vor allem der Produktionsausweitung von Solarsilizium im großen Stil. Nach Realisierung dieses Strukturwandels durch entsprechende Ersatzarbeitsplätze kann die Beihilfe auslaufen.

    6. Die Durchsetzung des Contracting-Prinzips für öffentliche Infrastrukturinvestitionen:
    Weil Gebietskörperschaften, besonders auf der kommunalen Ebene, erhebliche Schwierigkeiten bei der Finanzierung der Infrastruktur-Erneuerung haben, hat sich ein problematischer Trend zur Privatisierung durchgesetzt, der die Konzentrations- und Monopolisierungsprozesse beschleunigt. Die Alternative dazu ist die Durchsetzung des Contracting-Prinzips, demzufolge die Infrastruktur auf Zeit an Contracting-Unternehmen übergeben wird, diese die vollen Gebühren bzw. bisherigen öffentlichen Zuschüsse dafür erhalten und innerhalb dieses Finanzrahmens die Erneuerungsinvestitionen durchführen. Nach Ablauf der Konzession fällt die wirtschaftliche Verfügung an die Gebietskörperschaften zurück. Das Haushaltsrecht muss so geändert werden, das es diesen Ansatz erleichtert.

    Strategischer Handlungsmut

    Neben der hier vorgeschlagenen ökologischen "New Deal"-Politik als wirtschaftspolitische Handlungsstrategie sind sicherlich viele weitere Einzelinitiativen notwendig, die kleineren und größeren Maßstabs sind.
    Was wir jedoch zwingend brauchen, ist der Handlungsmut für einen konsistenten großen strategischen Entwurf, um die wirtschaftliche Entwicklung auf eine neue Grundlage zu stellen. Dazu ist es notwendig, sich von den ständig eingewandten sogenannten Sachzwängen zu befreien, die häufig mehr eine mentale als eine tatsächliche Barriere darstellen.

    Eine dieser Barrieren ist das Beihilferegime der EU, das jedoch gegenüber Investitionen der öffentlichen Hand nicht gilt und bei Förderinstrumenten im Bereich privater Umweltinvestitionen nur bedingt. Nach einer Verfahrensrichtlinie der EU sind solche Förderungen stets dann zulässig, wenn sie nicht über die "eligible costs" hinausgehen, also über die Zusatzkosten im Verhältnis der herkömmlichen Investitionen. Dieses Kriterium trifft auf alle der hier vorgeschlagenen Initiativschritte zu.
     
     

    Solare Weltwirtschaft
    von Hermann Scheer, Kunstmann Verlag

    Versuch einer Zusammenfassung von Werner Stiffel,  Februar 02

    Um die aus dem Zusammenhang gelösten Sätze ohne Brüche in den verbindenden Text einzufügen, wurde meist auf wortwörtliches Zitieren verzichtet.

    Die Schicksalsfrage der Zivilisation wird in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts entschieden.

    Vorbemerkung

    Es ist natürlich ein  schwieriges  Unterfangen, ein Buch mit derart konzentrierter Information auf weniger als ein Zwanzigstel zu reduzieren. Das Buch erscheint mir aber so wichtig, daß ich meine, es ist fast jedes Mittel recht, um mehr Menschen für seine Problematik zu interessieren.
    Der Hauptgrund zum Schreiben war für mich die Beobachtung, daß sehr wenig Menschen bereit sind, ein so umfangreiches Buch zu lesen, vor allem, wenn ihnen die behandelte Problematik noch gar nicht bewußt ist. Wer halbwegs offen das Zeitgeschehen beobachtet, dem dürften die angesprochenen Probleme eigentlich nicht verborgen geblieben sein. Aber einerseits stürmt heute auf jeden Menschen eine kaum noch verkraftbare Menge an "wichtigen" Informationen  ein, andererseits hat der Mensch eine erstaunliche Fähigkeit, Fakten oder Zusammenhänge zu verdrängen, die im Moment für ihn persönlich nicht wichtig zu sein SCHEINEN. Ich kann jedem nur wärmstens empfehlen, das Buch zu lesen

    Statt eines Vorworts
    (Rundmail des Solarenergie-Fördervereins e. V. Aachen v. 6. 2. 02 Angesichts der weltpolitischen Ereignisse und Entwicklungen scheint es dringend geboten, die Entscheidungsgrundlagen der westlichen Politik zu überprüfen und insbesondere mit der US-Amerikanischen Regierung abzustimmen. Die Energiefrage spielt in diesem Zusammenhang eine immer beunruhigendere vorrangige Rolle.
    Die Bush-Regierung geht völlig zutreffend von einem wachsenden Energiebedarf der Menschheit aus und davon, dass die konventionellen Energiereserven der Erde über kurz oder lang zu Ende gehen. Andererseits aber geht die Bush-Regierung - wie wir meinen, unzutreffenderweise - davon aus, dass die erneuerbaren Energien aus Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse niemals den Weltenergiebedarf zu einem nennenswerten Anteil werden decken können. Wer von diesem "Wissensstand" ausgeht, dass es zu den konventionellen Energien keine Alternative gibt, sieht zwangsläufig ohne jede Hoffnung dem unvermeidlichen Zusammenbruch der technischen Zivilisation entgegen.
    Gerade eine hoch technisierte Nation kann dies leicht als eine Katastrophe ansehen, zu deren Abwehr jedes Mittel erlaubt zu sein scheint. Wer das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung als vorrangig gegenüber anderen Völkern ansieht, der kann (muss?) dann den Schwerpunkt seiner politischen Anstrengungen auf das Ziel richten, die Energieversorgung wenigstens für sein Land so lange wie möglich zu sichern, selbst wenn dies zu Kriegen oder zur Klimakatastrophe führt. So verfährt denn auch die Bush-Administration. Ihre Sabotage an den Klimakonferenzen ist ein deutlicher Beleg.
    Das Tragische an dieser Situation ist, dass die Eingangsvoraussetzung falsch ist! Die ganze Tragik wird erst deutlich wenn man .....davon ausgeht, dass man den Energiebedarf der ganzen Menschheit in absehbarer Zeit und zu erträglichen Kosten aus den erneuerbaren Energien decken kann. Dann verschieben sich die Prioritäten des politischen Handelns! Müsste dann nicht alles daran gesetzt werden, die Energiegewinnung aus den erneuerbaren Energien zur Marktreife zu führen und sich auf diese Weise aus der Abhängigkeit von den Erdöl- und Kohlereserven zu befreien? Wäre die Sicherung der Energieversorgung im fernen Ausland dann überhaupt noch notwendig? Könnten die Emissionen von Kohlendioxid dann nicht ohne Einbuße des Wohlstandes fast auf Null gesenkt werden? Dieses Gedankenspiel demonstriert, wie wichtig die Frage ist, ob eine 100% Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien möglich ist oder nicht. Es zeigt auch die ungeheure Verantwortung auf, die derjenige – vielfach unwissentlich - übernimmt, der diese Frage verneint. Wir sehen es deshalb als eine der wichtigsten Aufgaben aller Organisationen an, die sich mit erneuerbaren Energien befassen, dass sie das Wissen über die Möglichkeit einer 100% Energieversorgung mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in die Öffentlichkeit bringen. Dies ist inzwischen eine Frage von Krieg oder Frieden!    Wolf von Fabeck

    Die Ausgangslage

     1 Der Weltenergieverbrauch steigt unaufhaltsam
    2 Die konventionellen Energien gehen über kurz oder lang zu
        Ende

    Konsequenzen

    Daraus ergibt sich automatisch die Frage

    Sind alternative Energien in der Lage, den Weltverbrauch in absehbarer Zeit zu erträglichen Preisen zu decken?

    Hermann Scheer beantwortet in seinem Buch diese Frage in folgender Weise

    1 bei der Umwandlung fossiler Energien werden begrenzte aber unverzichtbare Lebenselemente unseres Globus – Wasser, Boden, Luft und Erdatmosphäre unweigerlich überbeansprucht, beschädigt und zerstört Die Gefahr einer Zerstörung der Ökosphäre liegt zeitlich näher als die einer irreversiblen Plünderung der Ressourcen
    2 Der Trend zu weltweiten sozialen Unruhen und Kriegen zur Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung kann durch einen Umstieg auf Solarenergie gebremst werden
    3 Eine solare Energieversorgung der Erde in absehbarer Zeit ist vollständig möglich
    4  Die meisten jetzt aus Erdöl hergestellten Rohstoffe können durch solche pflanzlichen Ursprungs ersetzt werden
    5   Die Umstellung auf Solarenergie wird zu einer weitgehenden Dezentralisierung führen
    6  Eine solare Energie- und Rohstoffwirtschaft eröffnet der weltweiten Landwirtschaft ungeheure Chancen

    Was bedeutet "Solarenergie"?

    Zur Solartechnik zählt Hermann Scheer
    Photovoltaikanlagen, Windräder, Wasserkraftanlagen, Wellen- und Gezeitenkraftwerke, Biomasse-Umwandlungsanlagen für Strom, Solarkollektoren und –Speicher, Wärmepumpen, Biomassefeuerungen,  Motoren für flüssige, gasförmige oder feste Stoffe aus Biomasse oder Wasserstoff, produziert mit Strom aus Solarenergie (im Gegensatz zu Energie aus fossilen Stoffen -Erdöl, Erdgas, Kohle, die ganz streng genommen allerdings ihre Herkunft letztlich auch der Sonne verdanken) und Uran

    Die jetzige Situation

    In nahezu allen Erörterungen über die künftigen Lebenschancen in den unterschiedlichen Lebensräumen wird die Energiefrage vernachlässigt, so z. B. in den Habitatkonferenzen der UN. Die naive Feststellung, daß die Ressourcenfrage KEIN zentrales Problem darstellt, wird durch die aktuelle Neudefinition der NATO –Strategie widerlegt. Diese umfaßt die "weltweite Sicherung der Energie- und Rohstoffressourcen." Es ist ein intellektuelles Armutszeugnis, wenn die fundamentale Energiekrise in wissenschaftlichen Betrachtungen über Unterentwicklung und Gewaltexplosion überhaupt nicht einbezogen wird. Die Kurven der abnehmenden Verfügbarkeit von fossilen Energien und jene des immer noch steigenden Energieverbrauchs kreuzen sich unweigerlich Schon bei der Annäherung an diesen Kreuzungspunkt ist ein wirtschaftliches Chaos unausweichlich. Diese Krise wird auch  in den etablierten Industrieländern für die Allgemeinheit unerträglich hohe Energiepreise, sprunghaft steigende Arbeitslosigkeit und synchron dazu eskalierende politische Spannungen und Gewalthandlungen provozieren. Würde der Kreuzungspunkt tatsächlich erreicht, drohte wahrscheinlich das größte Gemetzel in der Geschichte der Menschheit. Noch wahrscheinlicher wird dieses apokalyptische Scenario durch die steigende Weltbevölkerung, bis 2010 wahrscheinlich auf über 8 Milliarden.

     In der gleichen Richtung wirkt die steigende Verstädterung, die mit der gewollten Industrialisierung einher geht und für sich schon zu steigendem Energiebedarf führt.. Für 2025 wird geschätzt, daß  80% der Amerikaner in Städten leben (1990 75%), die entsprechenden Werte lauten für Südamerika 84% (70%), Afrika 55% (33%), Südostasien 28% (28%)

    Westliche Industrienationen schrecken nicht davor zurück, Kleptokraten zu unterstützen, solange sie nur die Rohstoff-Flüsse sichern, auch wenn diese dabei ihre Länder ruinieren.. In Zaire  gelangte nach Mobutu mit amerikanischer Unterstützung Kabila an die Macht, der als erstes in den eroberten Gebieten die Schürfrechte neu verteilte.
    Die von Clans oder Oligarchien beherrschten Länder Aserbaitschan, Kasachstan, Kirgistan, Turkmenistan, Usbekistan und Tatschikistan sind alle keine Demokratien, werden aber als Anwärter für eine Nato -–Mitgliedschaft gehandelt, da sie über große Öl- und Erdgasreserven verfügen. Diese Entwicklung läßt ahnen, welcher Konflikt mit dem benachbarten Ländern Indien und China angesichts deren rasant steigendem Energiebedarf zu erwarten ist.

    Da nichts so existenziell ist wie eine gesicherte Ressourcenbasis, ist deren Gefährdung gleichbedeutend mit der Bereitschaft zu extremer Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit
    Die Entwicklungsländer werden durch steigende Energiepreise viel stärker belastet (wie man bereits bei den Ölkrisen 1973 und 1982 beobachten konnte) Alle Entwicklungshilfe hat die lokale Energiefrage nicht ausreichend berücksichtigt, Ausnahmen sind die vielen Millionen Biogasanlagen von chinesischen Kleinbauern.

    Globalisierung –weshalb?

    Der Bedarf der industriellen Moderne an den für sie jeweils attraktivsten fossilen Ressourcen ist der einzige wirkliche Globalisierungszwang  Treibende Kraft dabei sind die Energie-, Rohstoff- und Agrarkonzerne. Um ihrem Einfluß entgegen zu wirken, müssen internationale Organisationen gestärkt und einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden . Doch die transnationalen Unternehmen sind finanzstärker, einflußreicher, zielbewußter, flexibler, effektiver und besser organisiert. Sie sind auf dem besten Weg, eine privatunternehmerisch organisierte globale Planwirtschaft in Form globaler Kartelle zu errichten  Die Behauptung, der Wettbewerb werde wirklich frei, wenn es keine administrativen Handelsbarrieren gäbe, ist abseitig.. Auch transnationale Unternehmen bauen bekanntlich Handelsschranken auf.

    Billiger Transport wegen hoher Subventionen

    Schneller und billiger Transport hat die Welthandelsströme wahrscheinlich stärker anschwellen lassen als alle Freihandelsabkommen. Der für die Umwelt schädlichste Schritt ist wohl die Steuerbefreiung von Flug- und Schiffsverkehr  Flughäfen wurden praktisch zu einer global steuerfreien Zone. Allein Deutschland hatte 1993 dadurch 8,1 Mrd Steuerausfall Seit den 60er Jahren sind die Transportkosten für Lebensmittel von USA nach Europa um 80% gesunken. Der billige Transport hat zur Zerstörung bäuerlicher Strukturen auf der ganzen Welt beigetragen. Heute kann der Transport einer bestimmten Warenmenge mit der Bahn von Passau nach Bremen teurer sein, als mit dem Flugzeug  von Australien nach Europa.

    Wer bremst die Entwicklung einer Solarwirtschaft?

    Die fossilen Stromkonzerne sind nicht nur eine eklatante Gefahr für die Ökologie, sondern auch, gestützt von den Großbanken, der mächtigste Faktor der Gesamtwirtschaft. Sie haben die besten Karten zur Errichtung eines allumfassenden Versorgungs- und Medienimperiums in der Hand

    Zum Energieverbrauch

    Der statistisch erfaßte Weltenergieverbrauch besteht zu

    1         32% Verbrennung von Erdöl
    2         25% Verbrennung von Kohle
    3         17% Verbrennung von Erdgas
    4         5% Verbrennung von Atombrennstoff
    5         14% Verbrennung von Biomasse
    6         6% Energie aus Wasserkraft

    In Deutschland werden jährlich 200 Mrd kWh (38% ) in Büros und Haushalten verbraucht, ein enormes Potential, das bedeutet, umgerechnet je Kopf werden mehr als € 2000 je Jahr für Energie ausgegeben. (Für Nahrungsmittel werden € 1500.- je Kopf ausgegeben).
    Die Leerlaufverluste im Stand-by-betrieb betragen bis zu 95% und addieren sich zu  ca 20 Mrd kWh/Jahr in Deutschland
    In den USA gab es 1978 einen Plan (der dann doch nicht umgesetzt wurde) die Armee flächendeckend mit solarbetriebenen Funkgeräten auszurüsten, das wäre billiger als Batteriebetrieb gewesen, von der entscheidend einfacheren Entsorgung ganz abgesehen.
    Der Energieverbrauch an kommerziellen Energieträgern betrug 1971 1,15 Mrd. t Rohöleinheiten, 1990 1,43. die Prognose für 2010 lautet 1,95 Mrd

    Welche Rolle spielt die WTO?
    (Word Trade Organisation)

    Das Grundgesetz der Globalisierung stellt der 1994 in Marrakesch vereinbarte WTO – Vertrag dar, der einen weitgehend ungehinderten Fluß des Kapitals, der Waren und Dienstleistungen garantieren soll. (Die gleichen Regierungen hatten 2 Jahre zuvor die Agenda 21 unterzeichnet).
    Der elementare Denkfehler des jetzigen Welthandelssystems ist, es auch auf Produkte auszudehnen, deren Herstellung von durch Menschen nicht beeinflußbaren natürlichen Produktionsbedingungen abhängt. Der Welthandelsvertrag unterscheidet nicht zwischen umweltschädigenden und – schonenden, erschöpflichen und unerschöpflichen Produkten. Regierungen erleichtern auf nationaler und internationaler Ebene immer mehr den transnationalen Unternehmen die Arbeitsmöglichkeiten.  Es gibt kaum noch eine Investition eines solchen Unternehmens, für das es keine Subvention gibt, z. B. durch kostenlose Bereitstellung der Infrastruktur, durch jahrelange Freistellung von Steuern oder direkte Zuschüsse.
    Mit dem MAI-Abkommen (Multinational Agreement on Investment), das zum Glück im Sommer 98 zunächst gestoppt wurde, sollten Auslandsinvestitionen, und bei einem transnationalen Konzern sind das nahezu alle Investitionen, vor Belastungen durch neu hinzukommende Sozial- Steuer- oder Umweltgesetze geschützt werden. Die Regierungen wären für derartige Belastungen schadensersatzpflichtig geworden. Dies hätte die "Corporate empires" zu exterritorialen Institutionen mit uneingeschränkter Vollmacht, aber ohne jede politische und soziale Haftung gemacht.
    Die Stromwirtschaft unterläuft fast unwidersprochen die neuen Strommarktgesetze, die eine transparente Trennung zwischen Produktion, Transport und Verteilung fordern.
    Wieso konnten die Strompreise um 20% gesenkt werden? Stadtwerke haben die Gewinne an die Städte weiter gegeben, Konzerne dick verdient.
    Die steuerfreien Rückstellungen für die atomare Entsorgung von 35 Mrd € verschaffen den Konzernen einen einzigartigen –Wettbewerbsvorteil.
    Die herrschende Wirtschaftsideologie weigert sich, zur Kenntnis zu nehmen, daß es zu Umweltfreveln und sozialen Debakeln führt, wenn es keinerlei ordnungspolitische Möglichkeit zur Sicherung regionaler Wirtschaftsstrukturen und ökologischer Wirtschaftsweisen gibt.

    Die Rolle der Weltbank

    1997 haben US- und europäische Nichtregierungsorganisationen in einer Studie ermittelt, daß die Weltbank seit der Verabschiedung der Weltklima-Konvention 1992  mehr Projekte von fossilen Energieanlagen unterstützt hat. Sie fördert darüber hinaus ausländische Beteiligungen in der 3. Welt.. 90% der Projekte gehen an Energiekonzerne der 7 großen Industrienationen., nur 3% fließen in Projekte erneuerbarer Energien Das deutlichste Beispiel ist eine Hochspannungsleitung nebst angeschlossenen Großkraftwerken  vom Äquator bis zum Kap, durch Angola, Botswana, Lesotho, Malawi, Mosambik, Namibia, Swasiland und Simbabwe. Die beteiligten Länder können aus Kostengründen keine Leitungen in die Dörfer legen, wo drei viertel der Bevölkerung leben. Diese Leitung wird die Wirtschaftsaktivitäten magnetartig anziehen Die aus den ländlichen Räumen Abwandernden lassen die Alten in den Dörfern zurück, die Familienstrukturen werden zerrissen, in den entstehenden Slums nehmen Verwahrlosung, Gewalt und Prostitution zu

    Ein Großteil der Entwicklungskredite zielt wie eh und je auf den Energiebedarf der Rohstoffkonzerne, um den Bedarf der Industrieländer an Rohstoffen aus der 3. Welt zu sichern. Von 292 Millionen Dollar, mit denen die Weltbank zwischen  52 um 63 Projekte in Brasilien förderte, wurden 264 Mill. für die Elektrifizierung durch Großkraftwerke verwendet. 1979 wurden 58% aller Weltbankkredite für Düngemittelfabriken vergeben.

    Stadt oder Land?

    Auf der ganzen Welt ist eine starke Abwanderung vom Land in die Städte zu beobachten. Wenn das Schlüsselelement, die Erwerbsarbeit in industriellen Zentren in großem Umfang ausfällt, droht der fossilen Megastadt der innere Zerfall.Die Landflucht hat vor allem folgende Gründe
     

    In den ländlichen Räumen der Dritten Welt braut sich das größte Debakel der Weltgeschichte zusammen. Dort leben 3 Millionen (also der Hälfte der Weltbevölkerung) von der Landwirtschaft. Mit der Weltmarktausrichtung der Landwirtschaft, d. h. auf Massenerzeugung zu Niedrigstpreisen und entsprechende Einkaufsmonopole werden davon wahrscheinlich 2 Milliarden ihre Existenz verlieren

    Der Umstieg

    Auto und PC zeigen z. B. , daß eine grundsätzliche Bereitschaft besteht,  mehr Alltagsbewältigung in die eignen Hand zu nehmen. Die dezentrale Energiebereitstellung hätte im Gegensatz zum Auto keine Nachteile. Umfassende Energieversorgung gilt bisher als gleichbedeutend mit der Errichtung von Netzen.
    Solare Ressourcen können schneller eingeführt werden, als bisherige Erfahrungen vermuten lassen, weil sie NICHT auf eine vielgliedrige Versorgungskette angewiesen sind.
    Bei einer solaren Ressourcenbasis kann man von einem ehernen Gesetz der Nichtmonopolisierbarkeit sprechen, das konventionellen und scheinbar ewig gültigen Erfahrungen mit wirtschaftlichen Prozessen widerspricht.
    Das Verständnis der spezifischen Bereitstellungskette erneuerbarer Energien ist ausschlaggebend für jede Strategie zu ihrer Durchsetzung.

    Kommunen, die eigene Steuern erheben dürfen, müssen an der raschen Einführung solarer Energien ein eminentes Interesse haben. Dezentrale Netze sind die Chance der kommunalen und regionalen Energieversorger und Stadtwerke. Die Rolle der Verteiler ist die klassische Aufgabe kommunaler Unternehmer.
    Das integrierte kommunale Unternehmen übernimmt ALLE Wegefunktionen, wie Kanalisation, Gas- Wärme- und Wasserverteilung und Telekommunikation. Dies sind schon deshalb öffentliche Aufgaben, weil es konkurrierende Verteilernetze für Strom usw. in einem Versorgungsgebiet nicht gibt. Die Kommune wird dadurch zum Partner für Land- und Forstwirtschaft
    Wettbewerb entsteht nicht durch Privatisierung von Versorgungsnetzen sondern durch Trennung von Produktionsleistungen und Inanspruchnahme von Netzen.

    Die meisten Hochspannungsleitungen werden verschwinden.
    Solarer Wasserstoff läuft fast zwangsläufig auf Großsysteme hinaus
    Ein hoffnungsvolles Projekt ist das Druckluftauto, allerdings nur, wenn die erforderliche Druckluft mit Strom aus solaren Quellen erzeugt wird.
    Die Motorenindustrie ist der große potentielle Verbündete der erneuerbaren Energien.
    Ein Brenstoffzellenauto kann während der Standzeiten zu Hause als Stromerzeuger eingesetzt werden.
    Wenn ein Computer nur zum Schreiben benutzt würde, wäre er betriebswirtschaftlich gesehen unrentabel, ähnliche Rechnungen werden oft bei Energievergleichen angestellt.
    Wichtigster Faktor bei jeder Solaranlage (außer Biomasse): es gibt keine laufenden Betriebskosten mehr
    Der Wechsel von fossilen zu solaren Rohstoffen ist Die große Chance zur Neuorientierung industrieller Umweltvorsorge
    Die Kapitalzinsen sind bei dezentralen Anlagen niedriger, weil die Bauzeit, während der noch keine Energie erzeugt wird, wesentlich kürzer ist. Außerdem ist eine Anpassung an wechselnden Bedarf viel kostengünstiger

    Zu Windenergie

    Etwa 170 000 Windräder mit 1,5 MW würden ebenfalls den gesamten Bedarf von 500 Milliarden KWh decken.
    Auch Wind weht am Tage häufiger als nachts. Die Einspeisungskosten müßten differenziert werden nach Lastspitzen
    1999 wurde in Deutschland eine Batteriespeicheranlage für 4 Windräder in Betrieb genommen, die sich schon in 4 Jahren amortisiert haben wird

    Zu Fotovoltaik

    In Deutschland liegt die durchschnittliche Sonneneinstrahlung bei 1100  Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr. Die durchschnittliche verwertbare Leistung liegt bei 10% davon. In Deutschland würde weniger als 10% der überbauten Fläche als Solarmodule ausreichen
    Photovoltaikstrom wird immer am Tage produziert , wo Verteilerunternehmen häufig Spitzenstrom zu 25 – 30 Pf. kaufen.

    Zu Biomasse

    Weltweit werden z. Z. ca 10 Millionen Quadratkilometer landwirtschaftlich genutzt. Etwa 40 Mill. qkm sind mit Wald bedeckt, 49 Millionen qkm sind bisher ungenutzte Wüste oder Halbwüste. Für einen Ersatz des gesamten Energieverbrauchs aus fossilen Rohstoffen wären weniger als 12 Millionen qkm erforderlich.
    Um sich Anbaugebiete für die Nutzung von Biomasse als Rohstoff und Energielieferant zu sichern, kaufen multinationale Konzerne bereits große Land- und Waldflächen auf.

    Bereits existierende Beispiele

    Das Reichstagsgebäude ist mit einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ausgerüstet.  die mit kalt gepreßtem Pflanzenöl arbeitet. Dadurch konnte das Notstromaggregat eingespart werden Ein Neubauviertel in Neckarsulm wird über ein solares Nahwärmenetz versorgt.  In Freiburg entsteht eine Siedlung mit mehreren Hundert Häusern, die "Energie-Plus-Häuser sind.

    Wie kann GESTEUERT werden

    Die Idee der Ökosteuer wird populärer, wenn gleichzeitig Solarenergie steuerfrei gestellt wird. Gleichzeitig muß die Steuerbefreiung für bestimmte Verbrauchergruppen von fossiler Energie aufgehoben werden.
    Auch eine Halbierung der Mehrwertsteuer für Solarstrom ist denkbar,
    Z. Z. sinken die Strompreise um zweistellige %-Beträge, ein Beweis, daß früher hohe Gewinne gemacht wurden.

    Dezentralisierung – DER Impuls der Solarenergie

    Aus den verschiedenen Ressourcen (fossil oder solar) ergeben sich unterschiedliche wirtschaftliche Strukturen und Zivilisation-s entwicklungen. Dies ist den meisten Menschen  nicht bewußt, auch dem Gros der etablierten Experten nicht, die in unserer spezialisierten Wissenschafts- und Arbeitskultur das zusammen hängende Denken weitgehend verloren haben
    Die politische und wirtschaftliche Brisanz der erneuerbaren Energien liegt in ihrer Dezentralität. Solare Energien erreichen erst in dezentralen Strukturen ihr jeweiliges Produktivitätsoptimum Er bedeutet außerdem den Übergang von der Fremdversorgung zur Selbstversorgung

    Wie teuer ist Solarenergie?

    Vor dem Hintergrund, daß wir mittelfristig gar keine andere Wahl haben, als auf Solarenergie umzusteigen und im Hinblick auf die oben genannten Probleme einer zunehmenden Verknappung von fossiler Energie ist es eigentlich abenteuerlich, über Zehntelcents an Preisunterschieden zu diskutieren. Die Folgekosten der fossilen Energien wachsen exponentiell, d. h. je länger wir mit dem Umstieg warten, desto höher werden die Zukunftslasten.
    Die bisherigen Kostenvergleiche krankten immer daran, daß für bestimmte Betriebsbedingungen Kosten ermittelt wurden und diese dann absolut gesetzt wurden.
    Die z. Z. noch höheren Investitionskosten werden mit steigender Serienfertigung nach allen bisherigen Erfahrungen stark sinken., die Betriebskosten bei Windenergie und Fotovoltaikanlagen sind extrem niedrig. Bei stärkerem Forschungseinsatz sind noch erhebliche Verbesserungen zu erwarten. Bei Solarzellen z. B. , die sonnenseitig von einer dünnen Wasserschicht überströmt werden, kann der Wirkungsgrad von 15 auf 50% gesteigert werden. Wenn sie gleichzeitig als Bauelemente, z. B. Dächer verwendet werden, ergibt sich eine weitere Erhöhung der Rentabilität.

    Wie teuer ist Energie aus fossilen Quellen wirklich?

    Z. Z. sinken die Strompreise um zweistellige %-Beträge, ein Beweis, daß früher hohe Gewinne gemacht wurden.
    Die Stromkonzerne argumentieren bei der Tarifgestaltung mit der Einheit von Produktion, Transport und Verteilung, die es aber nach dem neuen Strommarktgesetz gar nicht mehr geben darf,.
    Die Ersetzbarkeit der fossilen Energien wird immer wieder energisch bestritten. Dies hat den realen Grund, daß sich dann der Mythos der Energiewirtschaft in Luft auflösen würde. Die atomare/fossile Energieökonomie stellt ihre aktuellen betriebswirtschaftlichen Vorteile regelmäßig als volkswirtschaftliche dar. Dabei wird alles, was vor oder nach den direkten Energiebereitstellungskosten der Energiewirtschaft liegt, schlichtweg ausgespart, z. B.  direkte und indirekte, frühere oder aktuelle Subventionen, Kosten der Ressourcenvernichtung, Subventionierung des Energieverbrauchs großer Industrieunternehmungen, sowie Versicherungs- privilegien Die direkten staatlichen Subventionen hat Greenpeace für die EU für 1995 ermitteln lassen: 9,68 Mrd Dollar für fossile Energien, 1,24 Mrd für erneuerbare Energien. Der durchschnittliche Strompreis für den normalen Haushaltskunden in der EU liegt bei 0,10 bis 0,20 €. Die Erzeugungskosten betragen 0,02 bis 0,04 €. Die Differenz sind Kosten für Bereitstellung und Netzinfrastruktur.

    Nicht erfaßt sind die zahlreichen versteckten Subventionen, z.B. Treibstoffsteuerbefreiung für Flugtreibstoff (C 100Mrd je Jahr) für internat. Schiffsverkehr  (Wahrscheinlich ebenfalls ca100Mrd/Jahr), Befreiung von der Mineralölsteuern für Mineralöl verarbeitende Betriebe,. steuerbegünstigt  sind meist auch die Suche nach Erdöl und Uran.. Staatliche Mitfinanzierung von Hafenanlagen, Pipelines, Hochspannungsleitungen, militärische Sicherung der Ölquellen     Mrd/Jahr)  Prämien für Haftpflichtversicherung von Atomkraftwerken müssen in den USA erst NACH Eintritt eines Schadens bezahlt werden. Die Versicherungssumme ist mit 7Mrd extrem niedrig, (Folgeschäden des Tschernobil - Unfalls ca 350 Mrd , wobei natürlich Leiden der Betroffenen,in keiner Rechnung erscheinen)
    Solange wegen traditioneller Überkapazitäten  keine Neuinvestitionen erforderlich sind, werden die Preise weiter sinken, danach ist mit erheblichen Preissteigerungen zu rechnen.
    Bei Förderung und Verteilung entstehen Verluste von 60% bei der Stromerzeugung, 69% bei Strom aus Öl- und Gaskraftwerken und 67% bei Strom aus Kohlekraftwerken. Bei Kraftstoffen entstehen von der Raffinerie bis zum Auto 90% Verluste.
    Der Mythos des Preisvorteils konventioneller Energien kann nur durch kalkulatorische Undurchsichtigkeit der globalen Ketten aufrecht erhalten werden.

    Niedrigere Preise bedeuten für Industrie oder Haushalte nicht unbedingt niedrigere Energiekosten. Die niedrigen Preise reizen zu höherem Energieverbrauch, bei den Amerikanern z. B. zum 2-3 fachen Verbrauch an Strom und Treibstoffen
    Der Anteil von Übertragung und Verteilung liegt bei herkömmlichem Strom bei 60 – 80%
    So kann es geschehen, daß die Stromwirtschaft fast unwidersprochen die neuen Strommarktgesetze unterläuft, die eine transparente Trennung zwischen Produktion, Transport und Verteilung fordern.

    Wieso konnten die Strompreise um 20% gesenkt werden? Stadtwerke haben die Gewinne an die Städte weiter gegeben, Konzerne dick verdient.
    Die steuerfreien Rückstellungen für die atomare Entsorgung von 70 Mrd verschaffen den Konzernen einen einzigartigen Wettbewerbsvorteil.

    Solare Rohstoffwirtschaft  und Probleme der Landwirtschaft

    Für die Herstellung von 100kg des Farbstoffs Benzopurin werden 768 kg Abfälle und Nebenprodukte in Kauf genommen (ohne Vorläufer Substanzen, vom Erdöl über Naphtalin, Anilin und Toluol
    Die Gründe für die derzeit im Vordergrund stehende Genforschung liegen in der naturwissenschaftlichen Tradition, Naturelemente aus ihrem Zusammenhang zu reißen
    Die weltweit größten Pestizidanbieter erzielen damit einen Jahresumsatz von 5 Mrd Dollar , sind z. großen Teil identisch mit den Saatgutanbietern und versuchen mit genmanipuliertem Saatgut ihr Monopol auszubauen.
    Ein Rohstoffmulti kann den Produktionsstandort wechseln, wenn die Böden ausgelaugt sind, ein Kleinbauer nicht.
    Lutzenberger führt folgendes Beispiel an. Die indianischen Bauern in Chiappas, Mexico rebellieren z. Z. gegen die NAFTA und gelten als rückständig,  weil sie laut Statistik nur 2 t Mais je Hektar produzieren gegenüber 6 t auf modernen Plantagen.  Die Indianer lassen aber außerdem Bohnenpflanzen um die Maisstengel klettern,  pflanzen dazwischen Obst, Kürbisse, Süßkartoffel, Tomaten, mehrere Gemüsesorten und medizinische Kräuter. Außerdem führen sie ihre Kälber und Hühner auf die gleiche Fläche. Sie produzieren ca 15 t Biomasse, ohne Düngemittel und Pestizide. Das alles erscheint aber nicht in der Statistik
    Genpatentierung ist frivolste Enteignung !
    Die sich global aufladenden Ressourcenkonflikte, die ökologischen Katastrophe, die Unbezahlbarkeit fossiler Energien für die Mehrheit der Menschheit, die zu erwartenden wirtschaftlichen Krisen bei zunehmender Verknappung zeigen. Die Welt steht vor einer umfassenden Regression
    Die "Terminatortechnik bedeutet eine organisierte Verdrängung natürlicher Arten und das Ende des freien Bauerntums auf dem Globus – auf der Basis staatlich patentierten Raubs von Lebewesen oder Teilen von Lebewesen im Namen der "freien globalen Marktwirtschaft und der Bekämpfung des Hungers.
    Für landwirtschaftliche Betriebe hat die solare Wirtschaftlichkeitsrechnung eine existenzsichernde Bedeutung.
    Für Pflanzenschutzmittel müssen pro Hektar Weizen  175 DM, bei Kartoffel- und Zuckerrübenanbau 200 – 300 DM ausgegeben werden.

    Rohstoffe aus Pflanzen

    Ein Drittel der Erdölförderung wird für synthetische Produkte verwendet
    Die Chancen für die Rückkehr zu biologischen Anbaumethoden steigen, je mehr die Möglichkeiten und wirtschaftlichen Vorteile einer umfassend angelegten Vielfachnutzung  pflanzlicher  Ressourcen genutzt werden
    Vorbilder für Vielfachnutzung kann man in der Natur finden:
    Ein Baum ist gleichzeitig CO2 – Absorber, Sauerstoffproduzent, Verdunstungsbremser, Rohstoffspeicher, Energiespeicher, evtl Nahrungsproduzent, Windbarriere, Erosionsschutz, Wasserspeicher – und ein ästhetischer Anblick  Ohne Zweifel ist die Flora ein sich endlos anreichernder Schatz, das mit Abstand größte naturwissenschaftliche Forschungsfeld
    In Bio- und Gentechnologie entstehen zwar neue Arbeitsplätze, doch denen stehen massive weitere Beschäftigungsverluste in der weltweiten Landwirtschaft  gegenüber

    Häuser der Zukunft

    Ein Gebäude ist nicht nur ein Energieverbrauchssystem sondern muß zukünftig auch als Energiesammel- und Umwandlungssystem konzipiert werden. Bei der Gestaltung müssen berücksichtigt werden
        Möglichst viel Sonnenlicht ins Haus fallen lassen (+neuartige Lichtspeicher)
        Umgebungswärme nutzen
        Windverhältnisse für natürliche Lüftung nutzen
        Materialien nach Kühl- und Wärmewirkung wählen u. U. Beton und Alu durch Holz, Lehm und Stahl ersetzen
        gebäudeinterne Zirkulation nutzen
     

    Was sagt die Wissenschaft?

    In unserer Gesellschaft herrscht weithin noch eine starke Wissenschaftsgläubigkeit. Der ital. Wissenschaftshistoriker Federico di Trocchio schreibt jedoch: Da Theorien nicht aus sich selbst heraus fort bestehen, ohne von Wissenschaftlern getragen zu werden, sind es in der Praxis gerade die Wissenschaftler, die anderen Wissenschaftlern, besonders solchen, die neue Möglichkeiten suchen. Pseudonotwendigkeiten entgegenhalten, Dies ist der psychologische und erkenntnistheoretische Ursprung des starrsinnigen Festhaltens an alten Theorien, auch wenn sie längst in den Rang von Vorurteilen herabgesunken sind.
    Sogar die von  Max Planck gegründete Deutsche Phys. Gesellschaft beteiligt sich an der Kleinrederei des Potentials erneuerbarer Energien Sie kam 1995 in ihrem Energiememorandum zum Schluß, daß bis 2030 ein Drittel des Strombedarfs aus alternativen Quellen kommt, aber nur mit hohem Anteil an Importstrom aus Nordafrika Es wird jedoch nicht gesagt unter welchen Voraussetzungen diese Zahlen ermittelt wurden Eine Shellstudie sagt, 2060 werden 50% aus erneuerbaren Energien kommen. Shell will jedenfalls innerhalb von 5 Jahren 500 Millionen Dollar in alternative Energien investieren. Bei der Beurteilung von Forschungsergebnissen, muß man auch berücksichtigen, daß der Finanzbedarf für Forschung immer größer wird. Dies machte die Technikwissenschaften immer anfälliger gegenüber Machtinteressen Die chemische Wissenschaft bekommt ihre Forschungsaufträge überwiegend von der Petrochemie. Außerdem hängt die Frage, was erforscht wird, mehr von gesellschaftlichen Interessen und Machtinteressen ab, als von den Resultaten der Wissenschaft.
    In den Analysen der weltwirtschaftlichen Entwicklung seit der industriellen Revolution wird oft der Eindruck erweckt, sie sei die praktische Folge angewandter Wirtschaftstheorien gewesen.. In aller Regel werden diejenigen Theorien als Klassiker gehandelt, die den ohnehin ablaufenden Entwicklungen rein deskriptiv folgen und zu deren Legitimation und Verstärkung dienten.

    Was ist sonst zu tun?

    Dringend erforderlich ist das hochspekulative internationale Finanz—und Währungsroulette in einen globalpolitischen Kontrollrahmen zu stellen
    Die Ressourcenunabhängigkeit ist ein wichtiges Ziel für eine Volkswirtschaft, das um so wichtiger wird, je mehr sich die Wirtschaftsbeziehungen internationalisieren.
    Bei Ressourcen muß jede Volkswirtschaft die Möglichkeit haben, auf ihrem Markt heimische  vor importierten  zu bevorzugen.
    Die Hochspannungsnetze gehören wie die Bundesstraßen in Bundeshand.