Regiogeld - eine Alternative?
( außer Regiogeld ist auch die Bezeichnung
Komplementärwährung üblich. Komplementär" soll ausdrücken, daß diese Währungssysteme keine Konkurrenz zu den
bestehenden Währungen sind, sondern diese ergänzen.)
Anmerkung; Viele Informationen zu Regiogeld enthält auch
das Buch „Geld der Zukunft“ von B. A. Lietaer. Dieser
räumt im Gegensatz zu praktisch allen anderen einschlägigen Autoren den Regiogeldern und Tauschringen
für die Zukunft eine wesentliche Rolle ein., siehe die Zusammenfassung auf der vorigen
Seite
Die zur Lösung unserer großen sozialen und ökologischen Probleme notwendige umfassende Geld-, Boden- und Finanzreformreform ist wahrscheinlich mittelfristig wegen der starken Widerstände kaum zu verwirklichen. Deshalb haben die Menschen nach anderen Wegen zu einer humaneren Wirtschaft gesucht. Auf der lokalen Ebene sind hier vor allem die Tauschringe zu nennen. Tauschringe haben aber große Probleme, Gewerbebetriebe zu integrieren, u. a. weil diese oft kaum Möglichkeit haben, größere eingenommene "Talente" –Beträge wieder auszugeben.
Neben den Tauschringen entstehen auf der regionalen Ebene immer mehr Projekte, die man als Regiogeld bezeichnen könnte. Aus rechtlichen Gründen wird statt der Bezeichnung "Geld" meist die Bezeichnung "Gutschein" verwendet.
Diese Regio –Projekte verfolgen vor allem folgende Ziele
- Schaffung eines Zahlungsmittels, das frei
ist vom zerstörerischen
Zins/Zinseszinsmechanismus.
- Stärkung der lokalen Wirtschaft
- Förderung von gemeinnützigen Projekten
- Gewinnen von Erfahrungen mit alternativen
Währungssystemen
- Engere Bindung zwischen Unternehmen und Kunden
- Ansammeln von Mitteln zur Vergabe von
zinsgünstigen Krediten an sozial oder ökologisch wertvolle Projekte
(langfristig)
- Schaffung eines Zahlungsmittels, das frei von
Inflation ist
- Abwanderung des Geldes in die Spekulation wird
vermieden
-
Solche Projekte existieren z. B. in Kolumbien,
Argentinien und Australien
In Deutschland gibt es z. B. den
Bremer "Roland.", den Justus, in Gießen, den "Kann was" in
Bad Oldesloe, den Haveltaler den Carlo in Karlsruhe und seit mehr als 100
Jahren den "Bethel – Euro" (früher "Bethelmark") der Bodelschwing´schen
Werkstätten
In Vorbereitung befinden sich Projekte im Allgäu. In Überlingen, Witzenhausen, Bad Aibling, Höhenberg, Berlin, Wendland und im Kreis Bruchsal.
Das bekannteste bereits existierende
Beispiel ist wohl der "Chiemgauer"
Eine Gruppe von 6 Schülerinnen und 3 Lehrern
an der Waldorfschule in Prien hat das System
entwickelt und betreibt es. Träger ist ein Verein.
Beim Erwerb von Chiemgauern (1:1 gegen Euro)
kann der Käufer eines von derzeit 5 regionalen Projekten wählen, das er
unterstützen möchte (z. B. Kindergärten oder die Waldorfschule
). Über 30 örtliche Geschäfte (u. a. zwei Cafes, ein Jeansladen, ein
Restaurant, ein Bäcker mit drei Filialen, und ein Schuhgeschäft und einige
Bioläden, diese machen auch den größten Umsatz) nehmen Chiemgauer an. Beim
Rücktausch von z. B. 100 Chiemgauern erhält man 95 Euro. 3 Euro gehen als
"Schenkgeld" an ein lokales Projekt (z. B. Erweiterung der
bestehenden Waldorfschule, Unterstützung eines Kindergartens), 2 Euro decken
die "Betriebskosten".
Die GLS –Bank unterstützt das Projekt und
plant für die Gründung von kleinen Unternehmen die Einrichtung
eines regionalen Kreditfonds. Die Sparer verzichten auf Zinsen, die
Kreditnehmer bekommen den Kredit wahlweise in Euro oder Chiemgauern.
Hier noch einige Daten (Stand Anfang 07):
Mitglieder: 1820
Unternehmen: 550
Chiemgauer im Umlauf: 90000
Umsatz 06 1,45
Millionen
Nach Prof. Kennedy erlaubt Regiogeld zum ersten mal, die in der Region produzierten Güter und Dienstleistungen als solche zu erkennen, zu bevorzugen und damit gezielt zu fördern.
Die rechtliche Absicherung des Chiemgauers ist dadurch gegeben, daß die Scheine nur eine zeitlich begrenzte und nur auf einen begrenzten Personenkreis beschränkte Gültigkeit haben.
Der Chiemgauer weist auch eine Umlaufsicherung, die zwar im Moment noch nicht unbedingt erforderlich wäre, aber auf diese Weise gewöhnen sich die Leute schon mal daran. Sie besteht darin, daß alle Vierteljahre auf die Scheine Gebührenmarken von 2% des Wertes geklebt werden müssen. Da die Menschen diese Gebühr zu vermeiden suchen, führt das dazu, daß die Chiemgauer tatsächlich umlaufen und nicht gehortet werden.
Im Moment ist der Wert des Chiemgauers noch an den Euro gebunden, um den Geschäften die Buchhaltung zu erleichtern und den Kunden eine Umrechnung zu ersparen. Diese Bindung kann jedoch jederzeit aufgegeben werden, wenn dem Euro Inflation droht.
Beim Bundestreffen der Tauschringe in Bad Aibling im Oktober 03 hat Frau Kennedy als ihre Vision folgendes dargestellt
ein zentrale Clearingstelle
(Verrechnungsstelle, z. B. ein Verein)
daran angegliedert
eine "Bank"
ein Regio
– Gutschein – System,
ein oder mehrere Tauschringe,
eine oder mehrere Seniorengenosenschaften
Theoretische Grundlagen für die Regio – Idee haben
Rudolf Steiner mit seiner Idee vom rostenden" Geld, Silvio Gesell mit
seiner "natürlichen Wirtschaftsordnung" und Dieter Suhr mit seinen Arbeiten zu einem "Zahlungsnetzwerk
neutrales Geld") erarbeitet.
Weitere Informationen. www.chiemgauer-regional.de
Vergleich verschiedener Geldsysteme
Über das eigentliche Wesen von Geld gibt es sehr
unterschiedliche Meinungen. Eine Definition von Geld lautet: Geld ist etwas,
von dem eine Gemeinschaft überein gekommen ist, es als
Tauschmittel zu verwenden.
Die meisten Menschen glauben daß
es nur eine Art Geld gibt, nämlich den konventionellen Euro, Dollar usw. In
Wirklichkeit kann ein Tauschmittel aber durchaus unterschiedliche Eigenschaften
haben. Ich habe unten mal eine Übersicht versucht.
Konventionelle
|
umlaufgesicherte |
Regionale
Komplementär- |
Komplementär-
|
Bargeldlose
|
unterliegen
Inflation |
wahrscheinlich nicht |
Die meisten Menschen glauben daß es nur eine Art Geld gibt, nämlich den konventionellen Euro, Dollar usw. |
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bieten die Möglichkeit, lokale soziale oder ökologische Projekte gezielt zu unterstützen |
bedingt |
bedingt |
beinhalten
den zerstörerischen Zins- Zinseszins- |
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können gefälscht, verloren und gestohlen werden |
dito |
dito |
dito |
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müssen von der zuständigen Zentralbank künstlich knapp gehalten werden, um Kursverfall gegenüber "Nachbarwährungen" zu vermeiden |
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stärken regionale Wirtschaft und wirken so den schädlichen Folgen der Globalisierung entgegen |
|
bedingt |
Literatur und Organisationen
Geld ohne Zinsen und
Inflation, Margrit Kennedy: Goldmann-Verlag, 250 Seiten, leicht lesbar und
gut geeignet als Einstieg
Das Geldsyndrom, H. Creutz: Ullstein-Verlag, ca
400 Seiten, das Standardwerk für den, der den Dingen wirklich auf den Grund
gehen will
Das Geld der Zukunft, B. A. Lietaer, 480
Seiten, Der Autor war u. a. bei Der Belgischen Zentralbank zuständig für die Einführung
des Eurovorgängers ECU, beschreibt zunächst die Probleme unseres jetzigen
Geldsystems und legt dann dar, wie wir innerhalb einer Generation einen
nachhaltigen Wohlstand erreichen können.
Wirtschaften im 3. Jahrtausend, Wolfgang Keßler,
Publikforum Verlag
Tauschen statt bezahlen, M. Baukhage u. D.
Wendl, Rotbuchverlag, Darstellung einiger Tauschringe, viele Addressen
Die Schuld des Nordens H. Sabet, Horizonte -
Verlag Frankfurt, stellt sehr gut die Probleme des Welthandels dar
Regionalwährungen,
Wohin gehen wir? 110 Seiten, Carl Hanser Verlag,
C. F. v. Weizsäcker beantwortet diese Frage aus seiner Sicht auf den Gebieten
Politik, Religion und Wissenschaft
Der Sprung aus dem Teufelskreis, J. Heinrichs, Vita Nowa
Verlag, befaßt sich mit theoretischen Grundlagen der
Freiwirtschaft und setzt sich für eine Viergliederung des sozialen Systems ein
Zukunftsfähiges Deutschland, herausgegeben von BUND und Misereor,
Birkhäuser Velag Basel, 450 Seiten, sehr fundierte
Studie für eine nachhaltige Wirtschaft
Gegen die Verwilderung der Sitten in Wirtschaft und Gesellschaft, Rainer
Sanders, Publik-Forum Verlag, 208 Seiten
Der Terror der Ökonomie, Viviane Forrester, Goldmann, 1998, 216 Seiten
Die Didaktur des Profits, Viviane Forrester,
Carl Hanser Verlag, 2001, 210 Seiten
Solare Weltwirtschaft, Hermann Scheer, Verlag Antje Kunstmann, 340
Seiten
Alterndes Geld - Das Konzept Rudolf Steiners aus geldtheoretischer Sicht, Dieter
Suhr, Novalis - Verlag
Zeitschriften
Publik Forum, Zeitschrift kritischer Christen, Postfach 2010, 641410
Oberursel, bringt oft fundierte Informationen zu alternativem Wirtschaften
Zeitschrift Humanwirtschaft (früher: der 3. Weg) herausgegeben von der
gleichnamigen Partei, Rappenbergstr. 64, 91757
Treuchtlingen, befaßt sich in erster Linie mit einer
Reformierung unseres Geldsystems
Zeitschrift für Sozialökonomie, Herausgeber Werner Onken,
Fachverlag für Sozialökonomie, Postfach 1129, 3510 Hann. Münden
Fragen der Freiheit, Herausgeber Seminar für freiheitliche Ordnung e.
V.,Badstr.35, 73087 Bad Boll, info@sffo.de, www.sffo.de
Organisationen
"Christen für gerechte Wirtschaftsordnung", Vors. R.Mehl,
Geschäftsstelle Rudeloffweg 12, 14195 Berlin,
Internet www.cgw.de
INWO, Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung, Max - Bockstr. 55, 60320
Frankfurt, Email INWO-D@t-online.de
Stiftung für Reform der Geld- und Bodenordnung, Albrechtstr. 127, 12165 Berlin
Sozialwissenschaftliche Gesellschaft e. V. Postfach 1550, 37145 Northeim
Seminar für freiheitliche Ordnung e. V., Badstr.35, 73087 Bad Boll, info@sffo.de, www.sffo.de
Attac Deutschland,
Artilleriestr. 6, 27238 Verden,
www.attac-netzwerk.de