Biodynamischer
Wirkungsgrad von Liegerrädern
Immer noch diskutiert wird die Frage, ob die Liegeradposition ergonomisch ungünstiger ist oder nicht. Als Vorbereitung des Projekts Daedalus, bei dem ein "fliegendes Fahrrad" 115 km von Kreta nach Santorin flog, wurden in Amerika umfangreiche Versuche gemacht. Dabei ergab sich u. a., daß das Verhältnis von Sauerstoffverbrauch und abgegebener Leistung nach ausreichendem Training für alle Versuchspersonen für die beiden Sitzpositionen praktisch gleich ist
Versuche von Stefan Gloger an der TH Darmstadt scheinen sogar dafür zu
sprechen, daß die Liegeradposition ergonomisch günstiger ist.(Veröffentlicht im
"Fortschritt - Bericht 263 des VDI, VDI - Verlag).
Ungünstig ist zunächst, daß der Liegeradler auch beim Zurückziehen des Fußes
eine gewisse Kraft aufwenden muß, um nicht vom Pedal abzurutschen (Wenn
er keine Klickpedale verwendet) Diese Kraft muß außerdem auf der anderen Seite
zusätzlich aufgebracht werden. Dies ist natürlich ein reines Verlustgeschäft,
d. h. die dafür verwendete Energie geht für den Antrieb verloren. Auf der
anderen Seite muß der Normalradler eine ganze Menge von statischer Haltearbeit
leisten, z. B. bei hohen Tretkräften am Lenker ziehen, den Kopf aufrecht halten,
die Stützkräfte in den Armen und Händen aufbringen usw. Dies fällt beim
Liegerad alles weg und dieser Effekt scheint eher größer zu sein, als der
oben beschriebene. Die Unterschiede sind aber offensichtlich nicht groß und
individuell unterschiedlich. Unberührt davon ist natürlich der meist etwas
niedrigere Luftwiderstand und vor allem die ergonomisch nahezu optimale
Körperhaltung auf Liegerädern.
Bergtauglichkeit
von Liegerädern
Für die bessere
Bergsteigefähigkeit von Rennrädern wird oft die Möglichkeit zum Wiegetritt
genannt. Meine Meinung dazu: aus dem Körpergewicht kommt keine
Wattsekunde auf die Pedale, die nicht vorher von anderen Muskeln in das Anheben
des Körpers gesteckt wurde. Das berühmte „Einsetzen des Gewichts“ beruht auf
einem Denkfehler. Beim Liegerad können durch Abstützen an der Lehne HÖHERE
Kräfte auf das Pedal gebracht werden. (Das bedeutet allerdings auch mehr
Gefahr, die Knie zu überlasten)
Aber: beim Wiegetritt wird ein Teil der
Kraft auf das Pedal mit gestrecktem Bein aufgebracht. In dieser Stellung
verträgt das Knie wesentlich höhere Belastungen, aufgebracht durch (das
vorher angehobene) Körpergewicht +Ziehen am Lenker) Außerdem können
„ausgeruhte“ Muskeln, wie die Armmuskeln eingesetzt werden. Dieser Effekt ist
wahrscheinlich zumindest einer der Gründe, weshalb
"Wiegetreter" jedem gleich starken Liegeradler zumindest
kurzfristig überlegen sind. Kurzfristig
deshalb, weil der Wiegetritt einen höheren Energieverbrauch bedeutet. (Eine
Entlastung der Sitzfläche ist beim Liegerad auch nicht erforderlich!) Liegeradbauer müssen eigentlich sehr froh sein, daß bei Liegern
kein Wiegetritt möglich ist, denn dadurch wird die Beanspruchung des Rahmens
übersichtlicher und deutlich niedriger!
Noch etwas: Bei Vergleichen zwischen Rennrädern und Liegern die ja meist in der
Ebene stattfinden, kann ein Liegerfahrer
oft dank seiner besseren Aerodynamik mit stärkeren Fahrern mithalten. Dieser
Zusammenhang ist aber für die Rennradfahrer nicht erkennbar. Am Berg hilft dem
Lieger die Aerodynamik nichts mehr und er fällt zurück. Nahe liegende
Schlußfolgerung: Lieger taugen nichts am Berg.
Damit ist im Grunde auch die oft gestellte Frage nach der Bergsteigefähigkeit von Liegerädern beantwortet: bei gleicher
Fahrerleistung, gleicher Übersetzung und gleichem Gewicht sind Liege- und
Normalrad etwa gleich schnell. Da Liegeräder in der Praxis meist etwas schwerer
sind, sind sie am Berg eine Spur langsamer. Der Gewichtsunterschied muß
allerdings im Grunde immer auf das Gesamtgewicht von Fahrrad und Fahrer bezogen werden. Gegenüber
einem Rad mit 15 kg ist ein 85 kg schwerer Fahrer auf einem 17 kg schweren Rad
z. B. am Berg höchstens 2% langsamer, d.
h. statt mit 15 km/h, fährt er mit dem schwereren Rad mit 14,7 km/h hoch.
Bei flacheren Bergen und damit höherer Geschwindigkeit wird der Unterschied
noch kleiner, weil hier der Luftwiderstand mitspielt. Ich möchte behaupten daß
solche minimalen Unterschiede zwar im Sport eine entscheidende Rolle spielen
können, im Alltag aber von kaum jemand registriert werden Generell kann man
sagen: Wenn z. B. ein bestimmter Liegeradtyp ein Rennen mit 100m Vorsprung
beendet, dann ist das schon eine sehr beeindruckende Überlegenheit. Wenn das
Rennen aber über 50 km lief, bedeutet das eine
Überlegenheit von gerade mal 0,2%!
Die von Laien ohne Ahnung von Biodynamik immer wieder beim Anblick eines Liegerads spontan gestellte Frage: "wie ist es damit am Berg?" hat m. E. folgenden Grund: Jeder hat vor Jahren das Radfahren auf einem Kinderrad ohne Schaltung gelernt, wenn er nicht mehr weiter kam, stand er einfach auf. Jeder fühlt instinktiv beim Anblick eines Liegerads, daß dies damit nicht möglich ist, außerdem hat jeder schon Bilder von Rennfahrern gesehen, die im Wiegetritt den Berg hochfahren. Schaltungen mit breitem Übersetzungsbereich sind im Unterbewußtsein noch nicht gespeichert Schon Indurain stürmte aber wenn irgend möglich im Sitzen die Berge hoch (weil der Energieverbrauch dabei geringer ist)
Ziehen am Lenker bringt beim Liegerad übrigens nur einen unnötigen Energieverbrauch, weil die Reaktionskraft völlig "kostenlos" von der Lehne aufgebracht wird, es ist aber sehr schwer, die in Jahrzehnten auf Normalrädern erworbenen Reflexe abzulegen.
Knieprobleme
bei Liegerädern
Ich nehme seit längerem an einer Feldenkraisgruppe teil. Feldenkrais - Übungen zielen auf eine sehr bewußte Beobachtung des Körpers hin. Bei einer Übung, die Treppen steigen auf- und abwärts beinhaltete, fiel mir ein, daß alle Bergsteiger sagen, abwärts steigen "geht in die Knie". Dies steht im Gegensatz zum gesunden Menschenverstand, der einem sagt, daß die Belastung beim abwärts steigen eher geringer sein müßte. Außerdem fielen mir die Knieprobleme von manchen Liegeradlern ein und ich hatte folgende Idee (Zu der Skizze wäre zu sagen, daß sie stark vereinfacht ist und die Darstellung auch unter meinen bescheidenen PC- Fertigkeiten leidet )
In der Skizze bedeuten:
A Sprunggelenk B Kniegelenk C Hüftgelenk D Oberschenkelmuskel E Po – Muskel
Dicke Striche Knochen Doppelstriche Sehnen das komplizierte Teil rechts ist das Becken
Wenn der Gesäßmuskel E das Bein zu strecken versucht, wird mit dem Fuß auf das Pedal z. B. eine wagrechte Kraft von 200 N ausgeübt. Da der Unterschenkel in diesem Fall nur eine Kraft in seiner Längsachse übertragen kann, ist die dafür erforderliche Kraft F1 etwa 1,5 mal so groß wie die wirksame Tretkraft. Diese 300 N wirken auch auf das Kniegelenk.
Man kann nun den gleichen Vorgang, "Strecken des Beins und Ausüben einer Kraft von 200N" auch dadurch ausführen, daß man den Oberschenkelmuskel D verkürzt. Die am Kniegelenk angreifenden Momente müssen im Gleichgewicht sein. Da der Muskel jetzt mit dem kurzen Hebelarm "Abstand zwischen Kniescheibe und Kniegelenk" X angreift, die entstehende Kraft aber mit einem je nach Abwinkelung des Beines bis zu 5mal größerem Hebel Y, wird das Kniegelenk jetzt mit der 5fachen Kraft, d. h. mit 1000N belastet.
In der Praxis werden sicher beide Vorgänge parallel ausgeführt.
Beim schmalen Sattel des Normalrads schwebt der Gesäßmuskel sozusagen in der Luft und kann so ungehindert arbeiten. Möglicherweise wird der Gesäßmuskel beim breiten Sitz des Liegerads etwas gedrückt, d. h. in seiner Verdickung beim Anziehen des Beins behindert und der Lieger – Anfänger verlagert die Arbeit unbewußt mehr auf den Oberschenkelmuskel. und belastet so die Kniegelenke stärker. Das könnte die gelegentlichen Knieprobleme von Liegeradlern am Anfang nach dem Umsteigen vom Normalrad erklären. Ein auf das Normalrad gut eingefahrener Radler braucht etwa 6 Wochen, bis er sich auf den Lieger eingestellt hat. In dieser Zeit sollte die Belastung nur allmählich gesteigert werden, auf keinen Fall in der ersten Woche schon eine stramme Tour! Im Laufe der Zeit lernt man wahrscheinlich, den Gesäßmuskel trotz der Beeinträchtigung wieder stärker einzusetzen.
Wenn jemand (unbewußt) seine Knie schonen will und stärker mit den Gesäßmuskeln arbeitet, könnte dies zum bekannten "recumbent butt"
führen.
Mechanische Leistung
des Menschen
In
Diskussionen taucht immer wieder mal die Frage auf, wie viel der oder jener
oder überhaupt ein Mensch eigentlich“ bringt“. Ich habe deshalb hier mal ein
altes NASA –Papier angehängt.